Das Jahr 2024 vermochte es nicht, westlich des kaspischen Meeres die Zuversicht in die globale Zukunft zu stärken. Insbesondere drei Trends bestimmten das Geschehen, die in ihrer Kombination beunruhigend sind.
1. Vom Wohlstand betäubt
Große Bevölkerungsgruppen – vielleicht auch nur die, die der Gesellschaft neue Impulse geben könnten – haben schlicht genug. Im Sinne von „beiseitegeschafft“ oder, dass sie aktuell genug verdienen. Oder verdienen werden bzw. von ihren Eltern/Großeltern genügend bekommen haben oder erwarten.
Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass es für sie schon reichen wird. Zumindest nach heutigen Maßstäben und bei Beibehaltung ihres gewohnten Rhythmus‘ von drei Aida-Fahrten pro Jahr. Und da in den aktuellen Generationen keiner je substantielle Krisen erlebt hat, fehlt es schlicht am Vorstellungsvermögen, dass sich die Verhältnisse durch Kriege, Wirtschaftskrisen oder einen Kollaps des Finanzsystems (= zweistellige Zinssätze) signifikant ändern könnten.
Das bedeutet, dass nicht mehr besonders viel Augenmerk auf die Verbesserung der Lebensumstände gelegt werden muss, was beispielsweise Investitionen in (Weiter-)Bildung erfordern könnte. Hierzu gibt es einen zweiten Teiltrend, so dass wir den Gedanken zur Bildung weiter unten fortführen wollen.
Wir brauchen nicht mehr zu arbeiten als mathematisch nötig und auch nur wenige Gedanken darauf zu verschwenden, mit unserem Tun persönliche Fähigkeiten und Know-How aufzubauen. Mitschwimmen reicht, die Freizeit optimieren, per Jobwechsel das Gehalt optimieren, das ist die Kernagenda unserer Zeit.
Wer viel hat, der muss sich nur clever schützen, es nicht zu verlieren. Und dafür am besten das Risiko minimieren und möglichst wenig mit Veränderungen experimentieren. Wer weiß, wo das hinführen könnte. Das Ergebnis sehen wir darin, dass unsere Wirtschaft kontinuierlich zurückfällt und sich bedeutende Institutionen sichtbar aus der Zeit gefallen präsentieren, egal ob es sich um Behörden, Kirchen, Gewerkschaften oder Bildungsträger handelt.
2. Vermeintlich allwissend
Die kleinen Maschinen in der Hosentasche, die neuerdings auch noch behaupten, sie seien intelligent, vermitteln den Eindruck, alles Wissen der Welt und jede Lösung sei nur einen Mausklick entfernt. Das ist in den meisten Fällen des Alltags auch korrekt (wie Fleck entfernen, Torte backen, Abfluss reinigen, Schneeketten aufziehen etc.).
Und das ist der zweite Grund, warum Bildung vermeintlich unwichtig geworden ist. Schule wird vor allem körperlich besucht. Inhaltlich wird sie in Frage gestellt, weil die Beteiligten vermuten, dass sie die dort vermittelten Inhalte viel komfortabler und schneller per Mausklick nachschauen könnten, wenn es denn erforderlich würde. „Bildung“ im Sinne der Mensch- und Persönlichkeitsbildung sehen sie nicht im Mittelpunkt und deshalb springt auch keiner der jungen Leute höher, als es formal erforderlich ist.
Außerdem sind wir durch die Maschinen mit jedem Elend der Welt per Du. Jede Krankheit haben wir schon mal „miterlebt“, jede Naturkatastrophe „gesehen“, jede Ungerechtigkeit „durchlitten.“ Und wissen deshalb auch genau, wie wir uns und unsere Liebsten vor jedem noch so abstrusen Schicksal schützen können. Das verleitet uns dazu, uns mit großer Fürsorge und in bester Absicht übergriffig gegenüber unseren Kindern, Lehrern und anderen zu verhalten.
Womit wir den Kindern bis ins Erwachsenenalter hinein die Gelegenheit nehmen, sich dort zu erproben, wo sie das selber wollen würden, und damit ein angemessenes Sozialverhalten zu entwickeln. Im Ergebnis werden die in Rente gehenden langjährigen Experten der Baby-Boomer Generation durch „funktionale Analphabeten“ (Begriff des italienischen online-Mediums „La Ragione“) ersetzt, was die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft weiter untergräbt.
Reduzierte Bildung und Urteilsvermögen in Kombination mit dem immer schnelleren Fortschritt führen dazu, dass wir trotz oder vor lauter Wissen zunehmend intellektuell überfordert sind. Wir verstehen oft die Zusammenhänge nicht mehr und sind immer weniger in der Lage, Dinge in ihrer Bedeutung zueinander zu begreifen.
Während beispielsweise die globale Kohle- und Ölerzeugung im Jahr 2024 neue Höchststände erreicht, feiern wir die energetische Autarkie im Ortsteil Niebüll Süd wie die Rettung der Welt (außer an den Tagen vielleicht, an denen das Wetter nicht mitspielt. Aber das ist ja dann nicht unsere Schuld). Dies ist bezogen auf die eigentliche Zielsetzung ungefähr so wirksam, als würde man versuchen, einen Weltkrieg durch den Anbau von Gurken im eigenen Garten zu verhindern.
Und statt aktiv zu werden, internationale Interessen zu moderieren und unseren Einfluss auf globaler Ebene zu stärken, werden stets neue Vorschriften, Paragraphen und Boykotte erfunden, mit denen wir 1% der Weltbevölkerung meinen, es den globalen Bösewichten mal so richtig zu zeigen.
3. Der Aufmerksamkeit beraubt
Das globale Showgeschäft dominiert die Welt. So dicht, so emotional, so schnelltaktig, dass wir den über uns aufziehenden Sturm vor lauter Donner gar nicht mehr wahrnehmen können.
Vor allem über die sozialen Medien bekommen wir tausende Werbebotschaften täglich präsentiert, die uns nach Strich und Faden und aller Kunst der Psychologie manipulieren. Sie sind so geschickt konstruiert, dass sie unser Gehirn fortlaufend in Erregung und bei der Stange halten. Und so konsumieren wir den halben Tag Erregungshäppchen, mehr, mehr, immer mehr.
Bei dem Takt bleibt schlicht gar keine Zeit mehr, klare Gedanken zu fassen. Neugierig sein, nachfragen? Keine Chance. Diskutieren? Vergiss es. Selber denken? Es bleibt nur Zeit für ein schnelles Like, garniert mit einem zerstreuten Zuruf oder einer abschätzigen Bemerkung.
Und so käuen wir wie eine große Herde Kühe das Futter wider, das wir von Medien, Anbietern und Algorithmen präsentiert bekommen. Rinderwahn 2024.
Nicht ohne Nebenwirkungen:
Das Rechtssystem tritt zunehmend in den Hintergrund. Insbesondere wer sich ins Rampenlicht stellt, wird stetig kontrolliert, verdächtigt, durchsucht, verleumdet, vorverurteilt, ausgespuckt und liegengelassen. Korrekturen, Klarstellungen und Kehrtwenden sowie Freisprüche gelten als langweilig und gehen im Krach nachfolgender Erregungen unter.
Auch die Politik ordnet sich dem medialen Gekreische unter und agiert extrem kurzatmig. Statt Orientierung zu bieten und den Fortschritt der Gesellschaft zu managen, gebärdet sie sich wie die billigste Schicht des Show-Geschäfts, wie Gaukler, die sich gegenseitig darin zu übertreffen versuchen, Ihre Betroffenheit zur Schau zu stellen, andere zu verurteilen, jede Art von Verantwortung zurückzuweisen und jeden Erfolg für sich selber zu beanspruchen.
Aber gut, dass es Weihnachten gibt! Das Fest der Liebe und Hoffnung. Unsere jährliche Chance zur Besinnung, Umkehr und Konzentration auf alle positiven Aspekte des Lebens.
Und natürlich gibt es sie, die Hoffnung: Allein indem wir uns wieder darauf konzentrieren und daran erfreuen können, was wir mit unseren eigenen Händen (und Köpfen) schaffen und geschafft haben, werden wir die dunklen Wolken zurückdrängen und unsere Zukunft zurückgewinnen können.
Frohe Weihnachten 2024!