Firmen, die gute Produkte und Dienstleistungen bieten, wachsen. Manchmal fallen sie damit auf und werden gekauft. Sind beim Erwerber schon andere Firmen vorhanden, entsteht ein Konzern. Wobei die einzelnen Firmen hinter den neuen Firmenschildern so bleiben, wie sie schon immer gewesen sind. Nur dass Querschnittsfunktionen zentralisiert werden und sich eine Zentrale für die Gesamtkoordination verantwortlich zeichnet.
Weil Konzerne gut bezahlen, Sicherheit bieten und obendrein noch medienbekannt sind, ziehen sie regelmäßig die smartesten und karrierebewusstesten aller Absolventen an. Diese verdienen sich ihre ersten Sporen damit, dass sie das örtliche Spiel beherrschen. Wenn es mal nicht weitergeht, wechseln viele in den Mittelstand, nicht selten auf die Position eines der Chefs. Und haben es schwer. Warum ist das so?
Im Konzern geht es darum, Möglichkeiten zu theoretisieren. Zu kaufen oder verkaufen, Kästchen zu verschieben, Verantwortliche zu tauschen oder Veränderungen anzuordnen, die von Spezialeinheiten durchgedrückt werden. Wobei jeder der Diskutanten nur eine winzige Facette der jeweiligen Möglichkeit verantwortet. Um erfolgreich zu sein, gilt es, Netzwerke zu bilden und das Spiel mit dem schönen Schein und der großen Vortäuschung zu beherrschen. Denn es werden vor-Meetings zu Meetings abgehalten, PowerPoint-Präsentationen erstellt, die niemand liest, E-Mails geteilt, die niemand öffnet, und Aufgaben generiert, die nicht erledigt werden müssen. Sind relevante Themen dabei, stellen sechs bis sieben Hierarchie-Schichten die Übertragung vom Vorstand bis in die Niederungen der Wertschöpfung sicher, dort wo die Produktion ganz unbeeindruckt vor sich hin schnurrt und Computer zuverlässig ihren Dienst verrichten.
Im Mittelstand hingegen findet sich ein Querschnitt aller Bevölkerungsschichten. Die Menschen trachten nicht zuerst nach Aufstieg und Weiterentwicklung, sondern sind langjährig im gleichen Umfeld tätig. Viele kennen überhaupt nur einen Arbeitgeber. Sie tun das, was sie immer getan haben, so wie man es ihnen einst erklärt hat und wie es Ihrer Meinung nach gut funktioniert. Darin sind sie richtige Experten und vielfach sogar Unikate. Und wenn etwas unklar ist oder neu, dann sprechen alle zusammen darüber, wie die Probleme des Tages gelöst werden können. Standardisierung und neue Wege haben es schwer, denn es fehlt zumeist an der Zeit und an der Kenntnis von Alternativen.
Wer in diesem Umfeld erfolgreich führen will, der muss zuallererst nahbar sein und die Menschen für sich gewinnen. Durch Kompetenz. Der muss vor Ort gehen, Fragen stellen, helfen und Vorbild sein. Und sobald ihm die Menschen vertrauen, kann er Alternativen erklären und kleine Änderungen vorschlagen, die für alle von Vorteil sind. Schritt für Schritt. Und wenn sie nicht nützlich sind, wird so lange nachgesteuert, bis das Neue reibungslos funktioniert.
Gerät jetzt ein Konzernmitarbeiter in dieses Umfeld, wird es schwierig, denn Diskurs trifft auf Machen, Schein auf Substanz und Powerpoint auf Durchschlagpapier. Reine Anordnungen gegen die gelebte DNA verpuffen wirkungslos. Dann kommt es schlicht darauf an, sich anzupassen, damit der große Sprung gelingen kann. Wer seinerseits eine solche Person im Mittelstand einstellen will, prüft im Vorfeld die direkte Wertschöpfungserfahrung des Kandidaten, um das Anpassungsrisiko richtig einzuschätzen.
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