Das Märchen vom Fachkräftemangel

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14. März 2020
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Vor die­sem Bei­trag woll­te ich her­aus­fin­den, wann der Begriff „Fach­kräf­te­man­gel“ über­haupt ent­stan­den ist. Ver­geb­lich. Er kur­siert seit Jah­ren und ist inzwi­schen so uni­ver­sell akzep­tiert, dass er bei kei­nem Business-Gespräch und kei­ner Key-Note feh­len darf.

Ver­mut­lich geht der Begriff auf die Dis­kus­sio­nen zum demo­gra­phi­schen Wan­del zurück. Dar­aus lässt sich ja ein Rück­gang der Zahl der akti­ven Erwerbs­tä­ti­gen in der Zukunft ablei­ten. Dass wir über (EU-) Zuwan­de­rung und die Ver­be­rufs­tä­ti­gung neu­er Bevöl­ke­rungs­grup­pen die Zahl der Erwerbs­tä­ti­gen allei­ne in den letz­ten 10 Jah­ren um 5% oder 2,5 Mio. gestei­gert haben, geschenkt. Dass wir gleich­zei­tig dar­über spre­chen, die Hälf­te aller Jobs im Zuge der fort­schrei­ten­den Auto­ma­ti­sie­rung bis 2030 zu ver­lie­ren, eben­falls geschenkt.

Wenn es also mathe­ma­tisch gar kei­nen Erwerbs­tä­ti­genman­gel gibt, was bleibt dann vom Phan­tom des Fach­kräf­teman­gels über­haupt übrig? Schau­en wir uns mög­li­che The­sen an:

  • Die im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung gerin­ge­re Zahl neu­er und eher anspruchs­vol­ler Jobs kann von den Men­schen, die an ande­rer Stel­le durch Weg­fall ihrer bis­he­ri­gen Arbeits­plät­ze frei wer­den, nicht besetzt wer­den. Dann hät­ten wir es streng genom­men mit einer Wei­ter­bil­dungs­kri­se zu tun. Nach allem, was wir über die Men­schen wis­sen, sind sie immer dar­um bemüht, neue Her­aus­for­de­run­gen anzu­neh­men, wenn man sie nur lässt und es ihnen auch zutraut. Wäre es nicht so, wür­den wir noch immer in Höh­len hocken und Keu­len schwin­gen. Sobald wir also unse­re Ent­wick­lungs­be­mü­hun­gen ver­stär­ken und den Men­schen neue Auf­ga­ben geben, wer­den sie ihren Weg gehen.
  • Mit dem Ver­lust aller wie­der­keh­ren­den Tätig­kei­ten an Com­pu­ter und Robo­ter wird die Krea­ti­vi­tät das Kom­man­do über­neh­men. Wenn wir auf die­se Welt mit den orga­ni­sa­to­ri­schen Ant­wor­ten der Ver­gan­gen­heit und dem blin­den Ver­trau­en auf Pro­zes­se reagie­ren, wer­den wir Miss­ver­ständ­nis­se, end­lo­se Abstim­mun­gen und Cha­os ern­ten und sehr viel mehr Arbeits­stun­den und Mit­ar­bei­ter brau­chen als frü­her, d.h. die Pro­duk­ti­vi­tät wird sin­ken. Die­sen Zustand wer­den Fir­men ent­we­der orga­ni­sa­to­risch über­win­den oder sie wer­den kurz- mit­tel­fris­tig aus dem Leben schei­den. Was bei­des die Fach­kräf­te­si­tua­ti­on wie­der ent­span­nen wird.
  • Eine Mensch­lich­keits­kri­se könn­te dazu füh­ren, dass sich immer mehr Erwerbs­tä­ti­ge selb­stän­dig machen, um fle­xi­bel zu arbei­ten und ihre Ideen zu ver­fol­gen, statt in fes­ten Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen zu „die­nen“. Das muss in Sum­me kein Pro­blem sein, wenn wir bereit sind, koope­ra­tiv in Netz­wer­ken zu agie­ren und auf fle­xi­bler Basis ihre Diens­te in Anspruch zu neh­men. Dafür müs­sen wir uns nur vom Gedan­ken klas­si­scher Beschäf­ti­gung lösen. Wenn wir das posi­tiv sehen, kön­nen wir damit sogar unse­re Fix­kos­ten varia­bi­li­sie­ren und unse­re geschäft­li­che Ent­wick­lung beschleunigen.
  • Groß­un­ter­neh­men ent­zie­hen mit üppi­gen Abfin­dun­gen und Vor­ru­he­stands­re­ge­lun­gen dem Arbeits­markt gro­ße Men­gen an Fach­kräf­ten. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass vie­le die­ser Men­schen auf die eine oder ande­re Art in eine Beschäf­ti­gung zurück­keh­ren, sobald sie erst ein­mal gemerkt haben, wie unbe­frie­di­gend es ist, die ver­blei­ben­den 40 (!) Jah­re Lebens­zeit auf dem Sofa zu ver­brin­gen. Und wie ein­fach es heu­te ist, einen Erfah­rungs­schatz zu Geld zu machen.

Ja, viel­leicht ste­hen nicht mehr die­sel­ben Men­schen bei uns Schlan­ge, wenn wir sie auf die­sel­be Art wie immer suchen und ihnen das­sel­be bie­ten, was wir immer gebo­ten habe (bes­ser noch Min­dest­lohn). Aber das ist eine ganz nor­ma­le Begleit­erschei­nung des Wan­dels und ein Zei­chen, dass wir krea­tiv wer­den müs­sen. Wenn wir uns erst ein­mal dafür ent­schei­den, uns als Fir­men wei­ter­zu­ent­wi­ckeln, uns um Pro­duk­ti­vi­tät und Auto­ma­ti­sie­rung zu bemü­hen, uns gemein­sam mit unse­ren Mit­ar­bei­tern neu­en Auf­ga­ben und der Wei­ter­ent­wick­lung zu stel­len und im Wett­be­werb um Arbeits­kräf­te neue Wege zu gehen, wer­den wir den Fach­kräf­te­man­gel als Mär­chen ent­lar­ven und für uns auflösen.

Bild: unsplash.com, Kate Sade

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