Ganz kurz ist das neue Grüß Gott

Los mit lustig, das neue Buch zu effektiver Arbeitsorganisation, ist jetzt erhältlich
7. Dezember 2017
Ingo Körner als Prozessberater autorisiert
25. Dezember 2017
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25. Dezember 2017

Deutsch­land ist zer­split­tert. Jede Regi­on hat ihre Gruß­for­mel, sei es „Moin“, „Moin, Moin“, „Ser­vus“, „Grüß Gott“, „Gude“ oder ein­fach nur „Guten Mor­gen.“ Ver­mut­lich gibt es noch viel mehr davon. Und so tra­di­tio­nell sie sind, ste­hen sie doch vor ihrer Ablö­sung, und das bun­des­weit. Es gibt eine neue For­mel, die viel kraft­vol­ler, reich­hal­ti­ger und uni­ver­sel­ler ist: „Ganz kurz…“ Ins­be­son­de­re in unse­ren Büros kommt sie immer mehr zum Ein­satz, und das ohne regio­na­le Unter­schie­de. Sie wird meist ange­wandt, wenn einer unse­rer Kol­le­gen oder Mit­ar­bei­ter den Kopf zur Büro­tür her­ein­streckt oder sich im Groß­raum­bü­ro hin­ter unse­rem Rücken ange­pirscht hat.

Sie ist des­halb so reich­hal­tig, weil sie zugleich eine Bit­te um Auf­merk­sam­keit, eine Ent­schul­di­gung für die Stö­rung und der Auf­takt zu einer meist dann doch nicht ganz so kur­zen Rede ist. Und sie funk­tio­niert. Nahe­zu immer. Oder hat dar­auf schon mal einer „nein“ oder „jetzt nicht“ gehört oder sich das zu ent­geg­nen getraut? Wir wol­len ja im Grun­de unse­res Her­zens gute Chefs oder Kol­le­gen sein und wür­den es nicht über das Herz brin­gen, so eine Mini-Bitte abzu­leh­nen. Und schon gar nicht am Mon­tag Mor­gen, bei dem Schick­sal, das die Kol­le­gin erlit­ten hat, oder so kurz vor Weihnachten.

Beson­ders betrof­fen sind Team­lei­ter, Füh­rungs­kräf­te oder Pro­jekt­lei­ter. Aber auch Sekre­ta­ria­te. So schrieb mir Moni­ka, eine Team­lei­te­rin, am ers­ten Arbeits­tag nach ihrem Lean Office Tages­trai­ning, sie habe die Zeit gestoppt: Sie war am Vor­mit­tag 3,5 h im Büro und davon nur 23 Minu­ten über­haupt unge­stört. Ganz gene­rell wer­den wir in unse­ren Büros inzwi­schen alle 3, 5 oder 8 Minu­ten bei der Arbeit gestört, je nach­dem wel­cher Stu­die wir Glau­ben schen­ken. Mein per­sön­lich beob­ach­te­ter Rekord in der Zusam­men­ar­beit mit einem Sekretariats-Team: alle 1,7 Minuten.

Und wie hel­fen wir uns jetzt? Nein sagen? Oder ein „Bit­te nicht stören“-Schild auf­stel­len? Nein, denn damit wür­den wir nur an den Sym­pto­men krat­zen. Letzt­lich haben wir es mit den Begleit­erschei­nun­gen unse­rer ver­än­der­ten Welt zu tun, von denen eini­ge sind: Wir haben unse­re Arbeit klas­sisch auf zu vie­le Köp­fe ver­teilt, so dass die Bear­bei­tung bzw. jede Ver­än­de­rung die Abstim­mung mit allen bzw. die Ein­ho­lung ein­zel­ner Infor­ma­tio­nen bedarf. Wir sind so sehr mit Nach­rich­ten und Auf­ga­ben bom­bar­diert, dass wir die beim Kol­le­gen ver­meint­lich schnel­ler ver­füg­ba­re Infor­ma­ti­on der eige­nen Suche vor­zie­hen. Wir sind unter Druck und hat­ten des­halb kei­ne Zeit, uns bei der Über­nah­me der Auf­ga­be um alle Infor­ma­tio­nen („Full Set“) zu küm­mern. Des­halb lau­fen wir mit­ten­drin los, uns die feh­len­den Infor­ma­tio­nen zu besor­gen. Oder wir bekämp­fen den zuneh­mend spür­ba­ren Kon­troll­ver­lust mit dem Wunsch, jeden Schritt noch inten­si­ver mit uns abge­stimmt oder von uns geprüft bzw. ent­schie­den zu sehen.

Am Ende wird nur hel­fen, unse­re Arbeit pas­send zu struk­tu­rie­ren, um der neu­en Gruß­for­mel ihren Nähr­bo­den zu ent­zie­hen. Ich bin gespannt, ob uns das gelingt oder ob sie es bis dahin schon geschafft hat, ähn­lich wie Kin­der­gar­ten oder Brat­wurst in den eng­li­schen Sprach­ge­brauch zu migrie­ren: „Good mor­ning, Boss, gänz körz…“

Bild: uns­plash, Alva­ro Serrano

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