Fünf Schritte der erfolgreichen Softwareeinführung

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14. August 2022
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Über 30 Jah­re, nach­dem Com­pu­ter Ein­zug in unser Leben hiel­ten, tun wir uns immer noch schwer. Kaum eine Soft­ware­ein­füh­rung kann als gelun­gen bezeich­net wer­den. Das liegt zum einen dar­an, dass die Soft­ware nicht oder nicht stark genug zum Anlass genom­men wird, Vor­ge­hens­wei­se zu hin­ter­fra­gen und lieb­ge­won­ne­ne Aus­nah­men zu besei­ti­gen. Noch viel mehr aber dar­an, dass eini­ge fun­da­men­tal wich­ti­ge Schrit­te miss­ach­tet werden:

 

1. Defi­nie­re das Ziel

In der Regel heißt es, „wir brau­chen ein neu­es …-Sys­tem“. Fra­gen wir „wozu denn?“ wird es nicht sel­ten schnell sehr vage. Die ande­ren tun es halt auch, ist dann noch der klars­te Grund. In den wenigs­ten Fäl­len ist das Ziel klar umschrie­ben, wel­cher Teil der Wert­schöp­fung kon­kret in wel­cher Wei­se auto­ma­ti­siert wer­den soll. Dabei ist das unbe­dingt erfor­der­lich, um zwi­schen den inzwi­schen meh­re­ren hun­dert Vari­an­ten aus allen Preis­klas­sen, Software-Generationen und Grö­ßen­ord­nun­gen das am ehes­ten zu uns pas­sen­de Pro­gramm aus­zu­wäh­len. Und es hilft uns unter­wegs dabei, fokus­siert zu blei­ben. Denn die aller­meis­ten Pro­gram­me irr­lich­tern damit „ich kann auch dies“ „ich kann auch das“. Wie beim free-shopping glän­zen unse­re Augen und wir sagen, toll, das wol­len wir auch, obwohl wir vie­le der Pro­zes­se bis­her gar nicht hat­ten oder brauch­ten. Das kla­re Ziel bewahrt uns unter­wegs vor jeder Form der Zer­fran­sung und stellt sicher, dass die Soft­ware­ein­füh­rung nicht zu einem Mehr­jah­res­mons­ter mutiert.

 

2. Begrün­de den Nutzen

Gera­de in den letz­ten Jah­ren sind Mit­ar­bei­ter skep­tisch gewor­den. Sie haben erkannt, dass durch den Controlling- und Kon­troll­wahn ihrer Mana­ger vie­le Daten erfasst wer­den müs­sen, die gar kei­nen direk­ten Nut­zen für sie oder die Kun­den haben. 2022 sehen sie jede neue Soft­ware zuerst als Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­me, „dann muss ich ja noch mehr Daten ein­ge­ben.“ Wol­len wir errei­chen, dass sie die Soft­ware tat­säch­lich nut­zen, müs­sen wir uns mit ihrer Skep­sis aus­ein­an­der­set­zen und über­zeu­gend* erklä­ren kön­nen, wel­chen Nut­zen die Soft­ware bie­tet. Für sie per­sön­lich, die Fir­ma, bes­ser noch für die Kun­den. Fei­ner Neben­ef­fekt: die Erklä­rung hilft gleich­zei­tig uns sel­ber, den jeweils aktu­el­len Stand unser Über­le­gun­gen zu reflek­tie­ren und fokus­siert zu bleiben.

 

3. Defi­nie­re und ver­knüp­fe alle Funk­tio­nen vollständig

Gän­gi­ge Pro­duk­te im App-Store laden wir run­ter und legen los. Der Kalt­start ist inzwi­schen auch zum Vor­bild für betrieb­li­che Software-Einführungen gewor­den. Wir instal­lie­ren das Pro­gramm oder rich­ten Zugän­ge ein und ver­kün­den den Kol­le­gen, „ab nächs­ten Mon­tag arbei­ten wir damit“. Die Kri­tik ist nicht fair, rufen wir jetzt inner­lich abweh­rend, die hat­ten doch eine halb-Tages-Schulung vom Anbie­ter. Mit Mit­tag­essen und allem Drum und Dran. Dabei ver­ges­sen wir aber, dass die Benut­zung durch­aus regel­mä­ßig geübt wer­den darf, um sicher mit einer Soft­ware umge­hen zu kön­nen. Viel wich­ti­ger ist noch, dass wir den Ablauf voll­stän­dig durch­ge­spielt und abge­bil­det haben und kei­ner­lei Lücken vor­han­den sind. Ansons­ten gibt es ab Tag eins Bypäs­se, Abkür­zun­gen, Son­der­we­ge und Unvoll­stän­dig­kei­ten. Und zwar so vie­le, wie es Mit­ar­bei­ter gibt, denn jeder wird jede Lücke zu lösen wis­sen, nur immer unterschiedlich.

 

4. Sor­ge für Bedienkomfort

Von der Logik her ist eine Soft­ware nur eine Tabel­le, deren Fel­der wir fül­len. Und Daten wer­den ein­ge­ge­ben, indem wir die pas­sen­den Funk­tio­nen auf­ru­fen, dort das rich­ti­ge Feld aus­wäh­len, etwas ein­tra­gen und dann bestä­ti­gen oder buchen. Gro­ße Fir­men nut­zen zudem die Auto-Logout-Funktion, so dass sich jeder User bei gele­gent­li­cher Pro­gramm­nut­zung wie­der neu anmel­den muss. Beson­ders bei gro­ßen und älte­ren Pro­gram­men ent­ste­hen damit lan­ge Wege zum Ziel. Nicht sel­ten dau­ert die Ein­ga­be eines ein­zel­nen Wer­tes 30-40 Sekun­den. Die Modem- und Disketten-Ära lässt grü­ßen. Pri­vat zucken wir heu­te schon, wenn wir bei schlech­tem Netz 5-10 Sekun­den dar­auf war­ten müs­sen, dass sich eine Sei­te auf­baut. Auch wenn wir es mit so vie­len Daten­fel­dern zu tun haben, dass wir erst müh­sam suchen müs­sen, auf wel­chem Rei­ter bei­spiels­wei­se das Tei­le­ge­wicht zu fin­den ist, beein­träch­tigt das den gefühl­ten Bedien­kom­fort. All das lässt die Nut­zung des Sys­tems weni­ger attrak­tiv und sel­te­ner wer­den. Und schnel­le­re Tram­pel­pfa­de wer­den eta­bliert. Idea­ler­wei­se ori­en­tie­ren wir uns beim Kom­fort an heu­ti­gen Privatnutzer-Standards und über­zeu­gen uns per­sön­lich, ob wir sel­ber mit dem Sys­tem arbei­ten wür­den, bevor wir das von unse­ren Mit­ar­bei­tern und Kol­le­gen verlangen.

 

5. Beglei­te den Betrieb aktiv

Da Soft­ware­kos­ten als hoch und die IT als unpro­duk­tiv betrach­tet wer­den, trifft man sel­ten auf haupt­amt­li­che Sys­tem­be­treu­er. Am ehes­ten wird nach­träg­lich an Lay­out und Daten­satz­struk­tu­ren her­um­ge­dok­tort, meist mit Hil­fe exter­ner Dienst­leis­ter. Sys­te­ma­ti­sche Stamm­da­ten­pfle­ge, regel­mä­ßi­ge Nach­schu­lun­gen, Erklä­run­gen angren­zen­der Funk­tio­nen, sys­te­ma­ti­sche Trai­nings­pro­gram­me für neue Mit­ar­bei­ter, stän­di­ge Ansprech­part­ner und täg­li­che Sys­tem­ver­bes­se­rung sind gera­de in klei­nen und mitt­le­ren Fir­men Fehl­an­zei­ge. Und so ist zu 100% sicher­ge­stellt, dass das, was ein­mal ein­ge­führt ist, ab dem ers­ten Tag nur noch schlech­ter wird. Immer bis zu dem schlech­test mög­li­chen Stand, der noch tole­rier­bar ist, bevor das Geschäft Scha­den nimmt. Das ist in etwa da, wo die Rufe nach einem bes­se­ren Sys­tem wie­der laut werden.

 

Wenn wir einen oder meh­re­re die­ser Schrit­te unbe­ach­tet las­sen, erhal­ten wir irgend­ei­ne Form von Daten-Torso, der von jedem unter­schied­lich stark und auch anders genutzt wird. Die Daten sind mit Vor­sicht zu genie­ßen und las­sen sich häu­fig nicht ohne Kor­rek­tu­ren für Aus­wer­tun­gen ver­wen­den. Oft­mals sind Par­al­lel­wel­ten und -lis­ten nötig, um Lücken zu umspie­len. Im Ergeb­nis führt die gän­gi­ge lau­war­me und des­in­ter­es­sier­te Form, Soft­ware zu nut­zen, dazu, dass ech­te Pro­duk­ti­vi­täts­sprün­ge aus­blei­ben und genau­so vie­le Mit­ar­bei­ter nötig blei­ben wie vor­her. Sie tun halt nur ande­re Din­ge. Es bleibt zu hof­fen, dass mit der Zeit unser Ehr­geiz zunimmt und wir ler­nen wer­den, die Vor­tei­le von Soft­ware kon­se­quent zu nut­zen und die erreich­te Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung in den Mit­tel­punkt zu stellen.

 

*über­zeu­gend = so, dass die betei­lig­ten Per­so­nen tat­säch­lich ihr Ver­hal­ten ändern

Bild: www.unsplash.com / Lind­say Henwood

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