Wundermittel für die Produktivität

Durchsatz statt Auslastung
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Das agile Missverständnis
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Wundermittel für die Produktivität

Ver­gan­ge­ne Woche 10 Uhr mor­gens, Maschi­nen­bau­un­ter­neh­men in Ost­west­fa­len. „Mahl­zeit“ schallt es aus den Keh­len, wann immer sich Kol­le­gen auf dem Gang begeg­nen. Man spürt, hier ver­steht man sich, hier wird zusam­men­ge­ar­bei­tet. Wirk­lich? Gehen wir näher her­an, ist es wie immer, Kun­den­auf­trä­ge mäan­dern von Abtei­lung zu Abtei­lung, von War­te­schlan­ge zu War­te­schlan­ge. Wann immer es Pro­ble­me gibt oder Strom­schnel­len auf­tau­chen, heißt es, Nebel­bom­ben zu wer­fen („der da war´s“) oder den Kopf ein­zu­zie­hen („was die ande­ren machen, kann ich nicht sagen“). Genau­ge­nom­men sind wir alle­samt zu einer Hor­de ver­ket­te­ter Ein­zel­kämp­fer, Selbst­op­ti­mie­rer und am-liebsten-vor-der-anderen-Haustür-Kehrer verkümmert.

Wor­an das liegt, hat Tra­di­ti­on. Mit den Manu­fak­tu­ren began­nen sich im 17. Jahr­hun­dert Hand­wer­ker meh­re­rer Gewer­ke zusam­men­zu­tun und arbeits­tei­lig zu arbei­ten. Seit­dem hat die Mensch­heit zwei Stoß­rich­tun­gen ver­folgt: Stan­dar­di­sie­rung und Arbeits­tei­lung vor­an­zu­trei­ben und grö­ße­re Los­grö­ßen zu bil­den, um sel­te­ner zu rüs­ten. Bei­des stei­gert zwar die Wirt­schaft­lich­keit, ver­län­gert aber auch die Durch­lauf­zei­ten und schafft Mög­lich­kei­ten, Zeit und Geld zu ver­schwen­den. Und Stan­dar­di­sie­rung redu­ziert natur­ge­mäß den Bedarf, mit­ein­an­der zu spre­chen. Das gilt ganz umso mehr, seit Com­pu­ter­sys­te­me unse­re Arbeits­er­geb­nis­se sang- und klang­los wei­ter­trans­por­tie­ren. Da heißt es abzu­wä­gen. Und sich am Ende lemming-like für die immer sel­be Sicht­wei­se zu ent­schei­den. In dem oben erwähn­ten Unter­neh­men wird das so for­mu­liert: Wir haben das Ziel, dass jeder (ein­zel­ne) so wirt­schaft­lich wie mög­lich arbei­tet. Bedeu­tet, mög­lichst spe­zia­li­siert in gro­ßen Losen an sei­nen Aufgaben.

Über bei­de Trends ist uns ganz neben­bei etwas ganz Ent­schei­den­des ver­lo­ren gegan­gen: Der Wil­le, gemein­sam Auf­ga­ben zu bear­bei­ten und Pro­ble­me zu lösen. Ganz natür­lich und ohne Hier­ar­chie, die irgend­et­was vor­gibt. So wie Ret­tungs­teams, Formel-1-Crews, Ver­eins­grup­pen, Stu­den­ten, die umzie­hen, oder die Bau­trupps der Sen­de­rei­he „Zuhau­se im Glück“. Jeder mit sei­ner Grund­spe­zia­li­sie­rung, aber ohne ande­re Tätig­kei­ten aus­zu­schlie­ßen. Jeder, der da mit anpackt, wo er gera­de gebraucht wird, damit alle schnellst­mög­lich das gemein­sa­me Ziel errei­chen. Wie sehr uns das abgeht, mer­ken wir an den Reak­tio­nen, wenn wir vor­schla­gen, doch mal ein­zel­ne Auf­ga­ben test­wei­se zu zweit oder mit meh­re­ren Kol­le­gen zu lösen. Dann kom­men die legen­dä­ren Aus­flüch­te: „Dann brau­chen wir vier Mal so viel Zeit. Die ste­hen sich ja nur auf den Füßen.“ Dass mit der Zusam­men­ar­beit Krea­ti­vi­tät, bes­se­re Lösun­gen und Qua­li­tät Ein­zug hal­ten, uns die Arbeit viel leich­ter von der Hand geht und schnel­ler fer­tig wird, igno­rie­ren wir beharr­lich. Ent­spre­chend dünn gesät sind die For­schun­gen zum Pair Working und ent­spre­chend skep­tisch ist die öffent­li­che Reso­nanz. Obwohl alle Stu­di­en­ergeb­nis­se eine eben­so ein­deu­ti­ge Spra­che spre­chen wie die prak­ti­schen Anwen­dungs­fäl­le unse­rer täg­li­chen Beratungsarbeit.

Was wir statt­des­sen unter Zusam­men­ar­beit ver­ste­hen, ist, Betriebs­klei­dung zu tra­gen, mit­ein­an­der in Groß­raum­bü­ros zu sit­zen, in Work­shops Leit­bil­der aus­zu­ar­bei­ten oder in Regel­mee­tings Pro­ble­me vor- und zurück­zu­kau­en und dabei die Rang­ord­nung zu mani­fes­tie­ren. Nichts, womit wir die Auf­ga­ben unse­rer Zeit lösen könn­ten. Denn heu­te geht es immer mehr dar­um, Neu­es zu schaf­fen, neue Geschäfts­mo­del­le, ein­zig­ar­ti­ge Pro­duk­te, oder wei­te­re Auto­ma­ti­sie­rungs­schrit­te zu unter­neh­men. Und jeweils aus einer fast unend­li­chen Zahl an Mög­lich­kei­ten aus­zu­wäh­len. Dabei müs­sen wir ent­wer­fen, dis­ku­tie­ren, pro­bie­ren und abwä­gen. Es ist wie ver­hext, denn dabei hilft uns nichts von dem, was uns in den ver­gan­ge­nen drei Jahr­hun­der­ten so unfass­bar reich gemacht hat. Da hel­fen kei­ne Pro­zes­se, kei­ne Grup­pen­stan­dards, kei­ne Com­pu­ter­sys­te­me, kei­ne gro­ßen Stück­zah­len oder Syn­er­gien. Da sind auch Chefs hin­der­lich, die Angst haben, Vor­schlä­ge zu machen oder zu befür­wor­ten, die viel­leicht nicht funk­tio­nie­ren könnten.

Wenn wir heu­te erfolg­reich sein und mit Freu­de und Neu­gier Neu­es schaf­fen wol­len, müs­sen wir zual­ler­erst zusam­men­ar­bei­ten, und zwar mit der Ziel­set­zung, alle zusam­men so wirt­schaft­lich wie mög­lich zu sein. Wie im ech­ten Leben. Dafür müs­sen wir Ideen Raum geben,  gemein­sam unse­re Mög­lich­kei­ten dis­ku­tie­ren, uns Auf­ga­ben neh­men, statt sie zu ver­tei­len. Und wir müs­sen über den Tel­ler­rand schau­en, um Miss­ver­ständ­nis­se und Feh­ler zu ver­mei­den und da mit anzu­fas­sen, wo wir gera­de bei­tra­gen oder hel­fen kön­nen. Damit erfährt unse­re Pro­duk­ti­vi­tät einen Schub und wir kom­men viel schnel­ler zu viel bes­se­ren Lösun­gen als bis­her. Und ganz neben­bei keh­ren auch Spaß und Mensch­lich­keit in unse­re Arbeits­welt zurück.

Bild: uns­plash, Thought Catalog

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